Geschichtsschreibung

Mord in der Badewanne

Mord in der Badewanne

Mit einem Mord wollte sie die aufgewühlten Verhältnisse, das Chaos, ja ganz Frankreich retten. Doch ihre Tat hatte ungeahnte Folgen für die Rechte der Frauen. Über Charlotte Corday (1768-1793) und die Französische Revolution - eine Frau, die Geschichte schrieb, aber anders, als sie es geplant hatte.

Kindheit, Heimat, Mittellosigkeit

Charlotte Corday wurde in eine arme Adelsfamilie hineingeboren. Als ihre Mutter bei einer weiteren Geburt starb, wurde Charlotte in den Orden der Benediktinerinnen aufgenommen.

Dort besuchte sie zunächst die Klosterschule und beschloss dann, im Kloster zu bleiben. Doch die Zeit der Revolution spielte ihr übel mit: Viele Klöster wurden aufgelöst, auch das, in dem Charlotte Corday lebte. So stand sie mit Anfang 20 mittellos auf der Straße.

Blutrünstiger Tiger

Der Revolution stand sie zunehmend skeptisch gegenüber. Schließlich hatte sie dadurch ihr relativ freies und selbstbestimmtes Leben hinter den sicheren Klostermauern verloren.

Am meisten missfiel ihr Jean-Paul Marat (1743-1793), ein radikaler Journalist und Politiker, der in seinen Schriften für die Revolution zu Gewalt und Rache aufrief. Deshalb empfand Charlotte Corday wohl auch, dass Marat nicht mit Tinte, sondern mit Blut schrieb. Sie sah in ihm einen blutrünstigen Tiger. Nachdem sie den Terror der Revolution und die damit verbundenen Enthauptungen mit eigenen Augen gesehen hatte, fasste sie einen weitreichenden Entschluss.

Mord in der Badewanne

Charlotte Corday reiste nach Paris, um das Haus von Jean-Paul Marat zu suchen. Dort angekommen, wurde sie von ihm im Badezimmer empfangen. Wegen einer Krankheit hielt er sich am liebsten in der Badewanne auf und hatte das Bad sozusagen zu seinem Arbeitszimmer gemacht.

Nach einem kurzen Gespräch zückte Charlotte Corday ein Küchenmesser und stach zu. Sie tat dies in der Überzeugung, damit viele Menschenleben zu retten. Marat schrie noch um Hilfe, starb aber bald darauf. Charlotte Corday hingegen blieb ruhig, ließ sich abführen und ins Gefängnis bringen.

Letzte Tage und Stunden vor der Hinrichtung

Sofort begann man mit der Zeugenbefragung und suchte in Windeseile die notwendigen Geschworenen für den Prozess. Am 17. Juli 1793 fand bereits die Hauptverhandlung statt.

Im Gefängnis, in den vier Tagen zwischen der Tat und der Vollstreckung des Urteils, schrieb sie noch einige letzte Briefe. Auch bat sie um einen Maler, der von ihr ein Portrait anfertigen sollte.

Eine Beichte vor der Hinrichtung lehnte sie jedoch höflich ab, da sie den Mord nicht als Sünde betrachtete. Dann wurde ihr langes Haar bis zum Nacken abgeschnitten, und wie alle verurteilten Mörder trug sie ein rotes Hemd. In einem offenen Wagen wurde sie zum Richtplatz gebracht und öffentlich enthauptet.

Ungeahnte Folgen

Charlotte Corday wollte mit ihrer Tat Menschenleben retten und das Chaos beenden. Doch genau das Gegenteil trat ein. Es rollten noch mehr Köpfe, die Revolution nahm richtig Fahrt auf. Marat wurde zum Märtyer, es entstand ein regelrechter Kult um ihn.

Zu Beginn der Revolution glaubten die Frauen noch, bald mehr Rechte zu bekommen. Doch mit der Ermordung Marats begann eine Medienkampagne gegen das Engagement der Frauen. Frauen sollten sich nicht mehr in die Politik einmischen, nicht noch mehr Unheil über Frankreich bringen.

Literaturhinweise:

  • Feuerstein-Praßer, Karin. 2002. Ich gehe immer aufs Ganze. 10 Frauenporträts. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet.
  • Karl, Michaela. 2011. Streitbare Frauen: Porträts aus drei Jahrhunderten. St. Pölten: Residenz Verlag.
  • Uhl, Karsten. 2000. Die Heilige als Sexualverbrecherin. Die Kriminologie schreibt Charlotte Corday in ihren Diskurs ein. In: Bettinger, E., Ebrecht, A. (Hg.) Querelles: Jahrbuch für Frauenforschung. Stuttgart: Metzler, S. 264-270.

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