Pionierinnen

Der Wille einer Frau

Der Wille einer Frau

Alexandra David-Néel bewies, wie stark der Wille einer Frau sein kann: Sie lebte als Einsiedlerin im Himalaja, reiste bis in die verbotene tibetische Hauptstadt Lhasa.

Abenteurerin, Buddhistin, Feministin, Reiseschriftstellerin und Erforscherin der tibetischen Kultur – Alexandra David-Néel (1868-1969) führte ein abenteuerliches und abwechslungsreiches Leben. Sie reiste durch Indien, Nepal, Tibet, China, Mongolei und Japan, durchquerte die Wüste Gobi. Sie überlebte Hunger, Schneestürme und Überfälle.

Ruhelos und unbezähmbar

Schon früh packte sie das Reisefieber. Mit 17 Jahren riss sie aus, um zu Fuß über den St. Gotthard in der Schweiz zu wandern. Sie erlernte asiatische Sprachen und studierte Religionswissenschaften. Zeitgleich nahm sie Gesangsunterricht. Dann ermöglichte ihr ein Erbe eine erste längere Reise, die sie durch Ceylon (heute: Sri Lanka) und Indien führte.

Nach ihrer Rückkehr studierte sie wieder Gesang und schrieb feministische Artikel. Getrieben vom Fernweg ging sie um die Jahrhundertwende als Sängerin nach Tunis, wo sie auch ihren zukünftigen Mann kennenlernte, den französischen Ingenieur Philippe Néel.

Das Leben ist schon sonderbar. Manchmal begegnen sich Menschen, die nicht im Geringsten zueinander passen. Und die heiraten dann.

  • Aus: Alexandra David heiratet Philippe Néel, BR Kalenderblatt, 2011, von Xaver Frühbeis.

Obwohl die beiden an die 40 Jahre verheiratet waren, verbrachten sie nur wenig Zeit zusammen. Sie ging bald wieder auf ausgedehnte Reisen, die ihr Mann finanzierte. Im Gegenzug schrieb sie ihm viele Briefe, wovon zahlreiche veröffentlicht wurden.

Als Einsiedlerin in Sikkim

Alexandra David-Néel wurde in Sikkim -heute ein indischer Bundesstaat an der Grenze zu Nepal, Tibet und Bhutan- von einem tibetischen Lama unterrichtet. Sie beschäftigte sich also intensiv mit dem Tibetischen Buddhismus. Dafür baute sie sich selbst eine kleine Hütte, zog sich als Einsiedlerin in die Berge zurück.

In Sikkim schloss sie mit dem Prinzen Sidkeong Tulku Freundschaft. Gemeinsam wollten sie die bestehenden monastischen Strukturen im Land reformieren. Beide waren der Ansicht, dass etwa fermentierte Getränke in Klöstern nichts zu suchen hätten. Allerdings kamen diese Bestrebungen mit dem Tod des Prinzen zu einem abrupten Ende.

Die verbotene Stadt Lhasa

Obwohl ihr verboten wurde, die Grenze nach Tibet zu überschreiten, begab sie sich auf die Reise nach Lhasa. Verkleidet als Bettelnonne wagte sie eine unglaubliche, aber auch beschwerliche Reise.

Mein Hauptansporn zur Reise nach Lhasa war ganz einfach das strenge, unsinnige Verbot, Zentraltibet zu betreten.

  • In: Mein Weg durch Himmel und Höllen, 1989 [1927], S. 38, von Alexandra David-Néel.

Als sie nach mehrjähriger Reise endlich Lhasa betrat, war sie bis auf die Knochen abgemagert. Wie strapaziös und herausfordernd diese Jahre waren, schrieb sie ihrem Mann:

Diese Exkursion wäre für einen jungen und robusten Mann sehr gewagt. Für eine Frau in meinem Alter [sie war 57] könnte das als purer Wahnsinn durchgehen. Dennoch ist mein Erfolg vollkommen. Würde man mir jedoch eine Million anbieten, um das Abenteuer unter den gleichen Bedingungen noch einmal durchzuführen, ich glaube, ich würde ablehnen.

  • Übersetzung aus: Correspondance avec son Mari, 2016 [1975], S. 733, von Alexandra David-Néel.

1925 kehrte sie nach Frankreich zurück, bevor sie sich im Jahre 1937, mit beinah 70 Jahren, auf eine weitere Reise nach Asien begab, von der sie erst nach neun Jahren wieder zurückkehren sollte. Doch selbst im fortgeschrittenen Alter zügelte sie ihre Reise- und Abenteuerlust nicht und ließ mit 100 Jahren vorsorglich ihren Reisepass verlängern. Kurze Zeit später verstarb sie.

Gehorsam ist der Tod. Jeder Moment, in dem sich der Mensch einem fremden Willen unterwirft, ist ein Moment, der von seinem Willen abgeschnitten wird.

  • Übersetzung aus: Pour la vie, 1998 [1898], S. 15, von Alexandra David-Néel.

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Literaturhinweise: