Für Gerechtigkeit und gegen das Patriarchat: wie Hedwig Dohm mit Humor und Ironie namhaften Persönlichkeiten das Fürchten lehrte.
Die Feministin, Pazifistin, Philosophin und Schriftstellerin Hedwig Dohm (1831–1919) forderte völlige Gleichberechtigung. Sie trat für soziale Gerechtigkeit und eine Selbstbestimmung der Frauen ein.
Ich bin des Glaubens, dass die eigentliche Geschichte der Menschheit erst beginnt, wenn der letzte Sklave befreit ist, wenn das Privilegium der Männer auf Bildung und Erwerb abgeschafft, wenn die Frauen aufhören, eine unterworfene Menschenklasse zu sein.
Dabei enttarnte sie gängige Aussagen und Meinungen über Frauen als haltlos und aus der Luft gegriffen. Als Konsequenz erhielt sie Drohbriefe, die sie jedoch nicht abschreckten, ihre Arbeit fortzuführen.
Selbst große Denker, wie Friedrich Nietzsche, waren von Hedwig Dohm‘s Scharfsinn nicht gefeit. Sie konnte nachweisen, dass Nietzsche beim Thema Frauen seine eigene Philosophie nicht verstanden hatte.
O Nietzsche, Du hoher, priesterlicher Geist, tiefer Geheimnisse Wisser und doch der einfachsten Wahrheiten Nichtwisser! Mit Gott und Göttern kannst Du reden, mit den Gestirnen, mit dem Meer, mit Geistern und Gespenstern. Nur mit und über Frauen kannst Du nicht reden.
Die Thesen eines Mediziners, warum Frauen nicht zum Studium der Medizin geeignet wären, zerriß Dohm in der Luft.
„Der Mann hat längere Beine als die Frau“, bemerkt sehr richtig Herr v. Bischof. Ein Schlußsüchtiger könnte allenfalls daraus schließen, daß der Mann sich mehr zum Briefträger eigne, als die Frau, ihr aber aus diesem Grunde die Fähigkeit zum Erlernen des Griechischen und Lateinischen absprechen zu wollen, ist mehr kühn als logisch gedacht. Dazu helfen lange Beine ein für allemal nichts. „Die Stimmritze der Frau ist enger und ihr Kehlkopf kleiner“, belehrt uns Herr v. Bischof. Ich würde daraus die Thatsache erklären, daß bei vorkommenden Duetten er Tenor und sie Sopran singt. Der causale Zusammenhang aber zwischen der Stimmritze und dem Stimmrecht erhellt daraus für mich nicht.
Schließlich fänden sich unter den Männern wie unter den Frauen Scharfsinnige und auch Dumme. Dohm konnte keine haltbaren Argumente für oder gegen eine höhere Bildung für Frauen finden.
Hedwig Dohm forderte für Frauen eine gute Bildung und Ausbildung in Berufen. Dadurch könnten diese selbstbestimmt und unabhängig leben und müssten sich nicht dem Mann unterordnen. Vor allem die Vorstellung von Mutterschaft, die Dohm als kulturelles und soziales Konstrukt benannte, fesselte Frauen an den Haushalt.
Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben. Ich behaupte: Weil die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben, und ich finde die eine Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere.
Sie selbst erhielt, wie für Mädchen üblich, keine umfassende Bildung. Allerdings konnte sie ihre Eltern überreden, sie wenigstens auf die Lehrerinnenschule zu schicken. Doch auch dort konnte ihre Wissbegierde nicht gestillt werden. Vieles eignete sie sich nach ihrer Hochzeit mit Ernst Dohm selbst an. Ihr Wissensdurst sollte sie ein Leben lang begleiten.