Frauenrollen

Phönix aus der Asche

Phönix aus der Asche

Marianne Ehrmann (1755-95) und die Philosophie eines Weibs - über gefallene Frauen und gesellschaftliche Stigmata.

Marianne Ehrmann, geborene Brentano, war Journalistin, Schauspielerin, Schriftstellerin, Philosophin der Aufklärung und eine der ersten Verlegerinnen. Doch ihre Kindheit, Jugend und frühen Erwachsenenjahre ließen davon noch nichts erahnen.

Von einem Übel ins nächste

Marianne Ehrmann wurde in Rapperswil am Zürichsee geboren. Nachdem ihre Eltern gestorben waren, wurde sie von Verwandten aufgenommen, verdiente sich als Hausmädchen ein wenig dazu. Da zu ihrer Zeit Frauen entweder einen Vater oder einen Ehemann für die gesellschaftliche Reputation benötigten, entschloss sie, einen Offizier zu heiraten. Dies geschah wohl nicht aus Liebe, sondern den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Doch sie hatte keine gute Wahl getroffen: Ihr Mann war spielsüchtig und gewalttätig. So geschah es, dass er nach Verlust seines Geldes seine Wut regelmäßig an seiner Frau ausließ und sie schlug.

Seitdem wir Menschen so viele Bedürfniße haben, seitdem sind wir auch unglüklicher. Es ist ja Alles so unregelmäßig ausgetheilt, der Schurke ist reich und der Rechtschaffene arm, und doch reich, aber nur in seinem Herzen.

Eine Schwangerschaft endete mit einer Totgeburt. Kurze Zeit später machte sich ihr Ehemann aus dem Staub und ließ sie mit seinen Schulden zurück. Mithilfe ihres Onkels gelang es Marianne Ehrmann schließlich, die Ehe scheiden zu lassen - eine Seltenheit der damaligen Zeit.

Ihr bisheriges Leben und die dazugehörigen Umstände wurden Marianne Ehrmann wohl zu viel und sie erlitt einen Nervenzusammenbruch. Daraufhin schickte sie ihr Onkel auf eine Bildungs- und Erholungsreise. Allerdings musste sie sich nach ihrer Rückkehr selbst um ihren Lebensunterhalt kümmern. Sie versuchte ihr Glück als Gouvernante, was allerdings scheiterte.

Der Mann und das Weib sind zwar für einander geschaffen, ihre beyderseitige Abhängigkeit aber ist ungleich. Des Mannes Vergnügen macht ihn vom Weib abhängig, und des Weibs Vergnügen und Nothdurft macht sie abhängig vom Mann, der immer eher ohne sie, als sie ohne ihn bestehen könnte.

  • In: Philosophie eines Weibs, 1784, S. 35, von Marianne Ehrmann.

Die Fahrt des sozialen und gebranntmarkten Abstieges wurde immer rasanter und schneller. Ihr Vater war verstorben, ihre Ehe geschieden, eine Unabhängigkeit und Erwerbstätigkeit einer Frau nicht vorgesehen. Da ihr Ruf eh schon ruiniert war, schloss sie sich einer Gruppe von Wanderschauspielern an. Darin sah sie die einzige Möglichkeit, um als Frau relativ unabhängig zu leben. Doch der Beruf der Schauspielerin hatte einen zwiespältigen Ruf, was sie schon bald erfahren sollte.

Philosophie eines Weibes

Während ihrer Zeit als Schauspielerin, in der sie unter dem Künstlernamen Madame von Sternheim auftrat, begann sie auch ihre schriftstellerische Tätigkeit. Ihr erstes Werk, Philosophie eines Weibs, veröffentlichte sie im Jahre 1784. Marianne Ehrmann vertrat die Ansicht, dass entgegen männlicher Meinung “typische” weibliche Eigenschaften nicht natürlich wären. Frauen wären also nicht von Natur aus damit ausgestattet. Vielmehr wären dies Zuschreibungen und eine Form von Patriarchat und männlicher Herrschaft.

Das erinnert an die berühmte Soziologin des 20. Jahrhunderts, Simone de Beauvoir (1908–86), die in ihrem Werk Das andere Geschlecht darauf hinwies, dass Frauen von Männern erst zum “anderen Geschlecht” gemacht werden.

Man ist nicht als Frau geboren, man wird es.

  • IN: Das andere Geschlecht, 1951 [1949: Le Deuxième Sexe], von Simone de Beauvoir.

Ähnliche Beobachtungen machte bereits Marianne Ehrmann, die in ihrem Buch dafür warb, dass jede Mutter ihre Töchter zu eigenständigen und selbstdenkenden Wesen erziehen möge. Nur durch Wissen könne die Verführungssprache der Männer enttarnt und somit die Unschuld eines Mädchens oder einer Frau bewahrt werden - die Thematiken der gefallenen Frau und der damit verbundenen gesellschaftlichen Stigmata waren zentral für Ehrmanns Leben und Wirken, ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr Leben.

Der Erfolg dieses Werkes ermöglichte es ihr, sich von der Schauspielgruppe zu trennen. Auch lernte sie zu der Zeit ihren zweiten Ehemann, Friedrich Ehrmann, kennen.

Stigmatisierte Frau & Erfolg als Schriftstellerin

Der jüngere Friedrich Ehrmann stammte aus einer wohlhabenden Familie, die ganz und gar nicht begeistert war, dass ihr Sprössling eine ältere, geschiedene und mittellose Frau heiraten wollte, die auch noch eine ehemalige Schauspielerin war - ein gesellschaftliches No-go! Dennoch setzte er sich durch, die Ehe wurde geschlossen. Das Ehepaar versuchte literarisch ihr Glück zu machen.

Zur wahren Artigkeit gehört Seelenbildung - Menschenkenntnis - Erfahrung - gesunde Beurteilungskraft. Ohne diese Triebfedern bleiben die meisten Frauenzimmer ewig steife Puppen, die alles, was sie umgiebt, gähnen machen.

  • In: Ein Weib ein Wort. Kleine Fragmente für Denkerinnen, 1789, von Marianne Ehrmann.

Marianne Ehrmann schrieb einen erfolgreichen Roman, Amalie. Eine wahre Geschichte in Briefen, der autobiographische Züge trägt. Später kümmerte sie sich um die Veröffentlichung der ersten monatlichen Frauenzeitschrift, Amaliens Erholungsstunden, für die sie von 1790-92 erfolgreich publizierte. Von 1793-94 war sie Herausgeberin der Zeitschrift Die Einsiedlerinn aus den Alpen. Auch verfasste sie Theaterstücke, wie etwa Leichtsinn und gutes Herz oder die Folgen der Erziehung.

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Literaturhinweise: