Geschichtsschreibung

Gelebte Erinnerung

Gelebte Erinnerung

Kaum zu glauben und doch weiter verbreitet als man denkt: Holocaustleugnung. Darunter versteht man die Leugnung oder Verharmlosung des von den Nationalsozialisten geplanten und systematisch durchgeführten Völkermordes an den europäischen Juden.

Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah.

– Esther Bejarano (1924-2001), Erinnererin an den Nationalsozialismus und Mahnerin gegen den aufkeimenden Neonazismus.

Diese Form der Leugnung ist auch als Auschwitzlüge bekannt - entgegen den historisch gesicherten Tatsachen behaupten die Leugner, die von den Nationalsozialisten zur Vernichtung vorgesehene Ermordung von etwa sechs Millionen Juden habe nicht stattgefunden.

Esther Bejarano war eine Überlebende des Konzentrationslagers Ausschwitz, die sich zeitlebens für die Erinnerung und gegen das Wiederaufleben des von ihr erlebten Antisemitismus einsetzte.

Musik wurde ihr Lebensretter

Ihr Vater, Oberkantor der jüdischen Gemeinde, ermöglichte ihr früh Klavierunterricht. Überhaupt spielte Musik in ihrer Familie eine große Rolle. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich ihr Leben schlagartig.

1943 kam Esther nach Auschwitz. Bei ihrer Ankunft wurden Mütter mit kleinen Kindern, Schwangere, Kranke und Alte sofort aussortiert und in die Gaskammern geschickt. Die anderen mussten sich ausziehen, wurden kahl geschoren und bekamen eine Nummer eintätowiert. Von nun an waren sie nur noch Nummern.

Esther Bejarano hatte Glück im Unglück, denn als Musikerinnen für das Lagerorchester gesucht wurden, meldete sie sich. Sie lernte Akkordeon und später Flöte.

Das Orchester spielte, wenn die Menschen zur Arbeit marschierten, aber auch, wenn neue Menschen für die Gaskammern ankamen. Esther Bejarano überlebte und wurde zur Mahnerin.

Kampf gegen Neonazis

Esther Bejarano emigrierte zunächst nach Israel. Um 1960 kehrte sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach Deutschland zurück und ließ sich in Hamburg nieder.

In den 1970er Jahren kam es zu einem entscheidenden Moment - ihre Vergangenheit holte sie ein. Rechtsextreme NPD-Mitglieder errichteten in der Nähe ihres Geschäftes einen Informationsstand. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Menschen vor, die gegen die Neonazis protestierten. Esther Bejarano wusste, dass sie sich gegen den aufkeimenden Neonazismus engagieren musste.

Esther Bejarano nahm an Hunderten von Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus teil, schrieb Bücher über ihr Leben und berichtete in Schulen über ihre Zeit in Auschwitz. Gemeinsam mit Rappern sang sie gegen Rassismus und Antisemitismus.

Nicht schweigen, sondern erinnern

Für die einen mag der Nationalsozialismus längst vergangene Geschichte sein. Aber er ist immer noch näher als man denkt. Denn das Gedankengut, das damals verbreitet und gelebt wurde, lebt in bestimmten Gruppen weiter.

Deshalb ist es wichtig, nicht zu vergessen, was damals geschehen ist. Es ist wichtig, sich der Gräueltaten bewusst zu werden. Es ist wichtig, der Leugnung dieser schrecklichen Taten entgegenzuwirken. Hass und Hetze breiten sich heute wieder aus. Aber das Erinnern kann dazu beitragen, dass sich dieses grausame Kapitel der Geschichte nicht so schnell wiederholt.

Wir wollen uns nicht gewöhnen an Meldungen über antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Attacken in Berlin und anderswo.

Literaturhinweise:

  • Bastian, Till. 2016. Auschwitz und die “Auschwitz-Lüge”: Massenmord, Geschichtsfälschung und die deutsche Identität. C.H. Beck.
  • Bejarano, Esther mit Sascha Hellen. 2022. Nie schweigen: “Ihr sollt die Stimme gegen das Vergessen sein, wenn wir nicht mehr da sind.” Bonifatius.
  • Bejarano, Esther mit Antonella Romeo. 2014. Erinnerungen: vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen Rechts. Laika-Verlag.
  • Bejarano, Esther. 1989. “Man nannte mich Krümel”: eine jüdische Jugend in den Zeiten der Verfolgung. Curio-Verlag.