Franziska Gräfin zu Reventlow (1871-1918) war die Verkörperung der Schwabinger Bohème. Sie stand für einen freien und unkonventionellen Lebensstil, war schön und klug zugleich. Vor allem lebte sie ihr eigenes Leben jenseits bürgerlicher Moralvorstellungen.
Franziska Gräfin zu Reventlow wurde in Husum geboren. Ihre Eltern achteten sehr auf gesellschaftliche Normen und die Einhaltung der Etikette. Nur ihre Tochter Franziska, die eigentlich Fanny hieß, konnte und wollte sich nicht fügen. Sie wollte nicht das feine Mädchen mimen, sondern in der Natur herumtollen, schwimmen, auf Bäume klettern, fechten und so weiter.
Das fünf Jahre alte, zarte, blonde Mädchen hat nur einen Wunsch: am sechsten Geburtstag möchte es, so wie seine Brüder auch, ein Junge sein! Das hat ihm doch das Kindermädchen versprochen, als es wieder einmal getröstet werden mußte, weil die Mutter verbot, daß es mit den Brüdern auf die Bäume kletterte.
Die Eltern waren mit ihrer Tochter überfordert und schickten sie in ein Stift für höhere Töchter. Dort sollte sie Manieren lernen und sich auf eine vorteilhafte Heirat vorbereiten.
Doch Franziska zu Reventlow dachte nicht daran, sich unterzuordnen. Schließlich wurde sie aus dem Stift geworfen - eine große Schande für die Eltern, ein persönlicher Triumph für sie. Sie kam bei Verwandten unter, erhielt Malunterricht und begann von einer Karriere als Malerin zu träumen.
Nach einem völligen Zerwürfnis mit ihrer Familie ging sie in einer Nacht- und Nebelaktion nach München, um Malerin zu werden. Finanziert wurde sie von ihrem Verlobten, einem Hamburger Rechtsassessor.
Es folgten Liebschaften, unzählige Männergeschichten, eine erste Schwangerschaft, die Heirat mit dem Hamburger Rechtsassessor, Fehlgeburten, neue Affären, Scheidung und schließlich die Geburt ihres über alles geliebten Rolfs (1897-1981).
Dem Jungen sollte es an nichts fehlen, und so übersetzte sie aus dem Französischen, hielt sich als Schriftstellerin über Wasser, nahm alle möglichen Gelegenheitsjobs an.
Man pflegt gewöhnlich anzunehmen, daß eine Frau, die viel mit Männern zu tun gehabt, dadurch überhaupt ihre Weiblichkeit einbüßt, und naturgemäß müßte doch gerade das Umgekehrte der Fall sein. – Dazu kommt noch das Geschrei nach Abschaffung der Prostitution, die doch das einzige Mittel ist, die Gesellschaft einigermaßen so zu erhalten, wie es allen wünschenswert erscheint. Wie schon oben gesagt, bleibt dem Manne nichts anderes übrig, und die Erfahrung zeigt, daß die Männer im Großen und Ganzen auch durchaus nicht gewillt sind, die Prostitution abzuschaffen. Es sind fast immer Frauen, die dafür eintreten, und zwar meistens solche, die das Leben vom Teetisch aus beurteilen.
1910 zogen sie und ihr Sohn nach Ascona in der Schweiz, wo eine Künstlerkolonie, eine Art zweites Münchner Schwabing, entstanden war. Dort schrieb sie auch über ihre Zeit in Schwabing.
Dann brach der Erste Weltkrieg aus. Ihr Sohn sah es als seine Pflicht an, für das Vaterland zu kämpfen. Franziska zu Reventlow gelang es schließlich, ihn während eines Fronturlaubs zur Fahnenflucht zu überreden, was er auch tat und überlebte.
Franziska von Reventlow starb jung. Im Alter von 47 Jahren verunglückte sie mit dem Fahrrad, musste notoperiert werden und verstarb in der folgenden Nacht.
Aufgrund ihres Lebensstils und ihres gelebten Freiheitsdrangs gilt sie heute als Urgroßmutter der sexuellen Revolution. Schließlich ließ sie sich nackt am Strand von Samos fotografieren, hatte unzählige Liebschaften, trennte Liebe und Erotik - skandalös für die damalige Zeit …
Literaturhinweise: