Geschichtsschreibung

Frühchristentum & Frauen

Frühchristentum & Frauen

Frauen nahmen im Frühchristentum zentrale Rollen ein, bis die Kirche an Macht und Einfluss gewann und sich das Patriarchat durchsetzte. Aus einer Kirche für alle wurde schrittweise eine Männerkirche.

Das Urchristentum zeichnete sich dadurch aus, dass es eine Kirche für alle war - unabhängig des eigenen Standes, Herkunft oder Geschlechts. Frauen konnten Diakoninnen -ordinierte Amtsträgerinnen- werden, was ihnen heute verwehrt wird. Die Anfangszeit des Christentums wurde sogar maßgeblich von Frauen getragen. Sie waren in dieser frühen Phase wichtige Säulen des Glaubens.

Verdrängung der Frauen

Die erste Zeit des Christentums war eine Zeit der Verfolgung, in der sich römische Frauen im Geheimen trafen. Sie festigten das Christentum und trugen die Botschaft weiter. Als die Verfolgungen abnahmen und der christliche Glaube offen gelebt werden konnte, traten die Theologen in den Vordergrund. Bald schon legten sie einen Fokus auf die Genesis, die Erzählung im Alten Testament über die Schöpfungsgeschichte und den Sündenfall. Da gemäß christlicher Lehre alle Frauen von der biblischen Eva abstammen, wurden nun alle Frauen als Quelle der Sünde gedeutet.

Und schwups – die Frau war dem Mann Untertan. So wurden die Frauen, die einst maßgeblich für die Verbreitung des Christentums sorgten, verdrängt und das Patriarchat der Kirche etablierte sich. Eine Männerkirche entstand. Gut – all diese Abläufe waren sicherlich komplexer, als hier dargestellt. Aber im Kern lässt sich das auf diese Kurzversion herunterbrechen.

Quellenlage

Die Briefe des Apostels Paulus, die im Neuen Testament zu finden sind, werden oftmals zur Deutung der Frauen herangezogen. In diesem Kontext wird Paulus gerne als Frauenfeind dargestellt. Das führt wohl auf eine von Männern gerne zitierte Passage zurück, gemäß der Frauen nicht gestattet sei, zu reden. Sie sollen schweigen (1 Kor 14). Allerdings wird heute darüber diskutiert, ob es sich dabei wirklich um eine Aussage des Paulus handelt, oder ob diese Passage nicht erst viel später ergänzt wurde.

Nebel des Vergessens

Frauen hatten im Frühchristentum verschiedene Rollen inne: Sie konnten unter anderem Apostolinnen, Prophetinnen, Märtyrerinnen, Asketinnen oder Diakoninnen sein. Aber nur von einer geringen Anzahl dieser Frauen ist der Name überliefert. Ihre Geschichten wurden meist anonym präsentiert.

Dieses Phänomen lässt sich übrigens auch in anderen Weltreligionen beobachten, im Buddhismus zum Beispiel, wo Frauen genauso selten namentlich genannt wurden. Das führte -im Christentum wie im Buddhismus- dazu, dass Frauen allmählich vergessen wurden. Sie leisteten zwar Großartiges, ihre Taten wurden aber seltener oder überhaupt nicht verschriftlicht und so wurden sie in einen Nebel des Vergessens gehüllt.

Patriarchales Weltbild

Während in älteren Quellen Frauen und ihre Bedeutung für das Christentum genannt werden, nehmen die Nennungen mit der Zeit ab oder sie werden umgewandelt. So wurde aus der Diakonin Phöbe später die Dienerin Phöbe gemacht. Und aus der Apostolin Junia wurde mit der Zeit kurzerhand ein Mann, Junius –ein Name, den es in der Form übrigens nicht gab- oder Junias. Frauenrollen, die in die Männerkirche nicht hineinpassten, wurden gelegentlich nachträglich einfach passend gemacht.

Ein zentrales Werkzeug zur Unsichtbarmachung der Frauen war die Sprache bzw. die Schrift. Die verschiedenen Bibelübersetzungen wurden hauptsächlich von Männern durchgeführt. Dabei war es ein Leichtes, Namen einfach nicht zu nennen, sie umzuändern oder die ursprüngliche Bedeutung eines Textes an die eigenen Bedürfnisse bzw. an die eigene Weltsicht anzupassen.

Bedeutung der Wörter

Sprache ist Macht. Das geschriebene Wort gilt vielfach als absolut. Dabei wird gerne übersehen, dass es sich bei der Bibel nicht um die eine Originalversion handelt, die es nämlich nie gegeben hat, sondern um verschiedene Übersetzungen. Abgesehen davon ändern Wörter mit der Zeit oder durch eine Übersetzung durchaus ihre Bedeutung.

Hinzu kommt, dass sich die Bedeutung oder Auffassung von Wörtern auch je nach kulturellem Hintergrund, Sprache und eigener Geschichte ändert. Je nach Kontext rufen Wörter nämlich unterschiedliche Bilder, Gefühle oder Erinnerungen hervor. Es lohnt sich also, kritisch zu bleiben.