Klischees

Herzenssache Musik

Herzenssache Musik

Ihre Kompositionen gelten als konservativ für ihre Zeit. Doch in einem war sie ihrer Zeit voraus: Sie war nicht bereit, für die Veröffentlichung ihrer Werke ein männliches Pseudonym anzunehmen, sondern wollte als Frau und Komponistin wahrgenommen und akzeptiert werden. Die Rede ist von Frida Kern.

Frida Kern, geborene Friederike Seitz (1891-1988), lebte mit ihrer Familie zuerst in Wien, dann in Linz. Als junges Mädchen erhielt sie Klavierunterricht, zunächst privat, später an der Linzer Musikschule. 1909 heiratete sie den Bankangestellten Max Kern.

Die rote Rose

Dann erkrankte sie an Typhus. Nach ihrer Genesung begann sie zu komponieren. So entstand 1911 ihre Oper Die rote Rose, zu der sie auch das Libretto schrieb. Da sie bei ihrer Arbeit Geschick und Talent bewies, finanzierte ihr Vater ihr von 1912 bis 1914 ein Studium an der Wiener Musikakademie als außerordentliche Hörerin.

1923 setzte sie ihre Studien in Komposition und Dirigieren fort und legte 1927 ihr Examen in diesen Fächern ab. Danach arbeitete sie als freischaffende Komponistin. Darüber hinaus gründete sie eine Damenkapelle, mit der sie auf Tournee durch Europa und Nordafrika ging.

Frage des Geschlechts

Doch schon während des Studiums kämpfte sie in der Männerdomäne Musik. Sie fühlte sich immer wieder angegriffen, weil sie eine Frau war, hörte Kommentare, wie etwa: Bevor ein Werk von einer Frau produziert wird, sollte man lieber ein schwächeres Werk von einem Mann nehmen.

Man riet ihr, sich ein männliches Pseudonym zuzulegen, um ihre Werke leichter veröffentlichen zu können. Sie war jedoch strikt dagegen, sie wollte als Frau ernst genommen werden und sich nicht hinter einer männlichen Identität verstecken. Ihr war durchaus bewusst, dass dies auch bedeuten konnte, dass ihre Kompositionen nicht veröffentlicht würden.

Schatten des Nationalsozialismus

Ein kontroverses Kapitel in ihrem Leben ist der Nationalsozialismus. Schon früh, 1933, stellte sie einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP, der jedoch abgelehnt wurde. Auch ein weiterer Versuch, in die Partei aufgenommen zu werden, scheiterte. De facto scheint sie nie Mitglied der NSDAP gewesen zu sein, hat aber zweimal versucht, in die Partei aufgenommen zu werden.

In der Zeit des Nationalsozialismus erreichte sie den Höhepunkt ihrer Karriere. Ihre Werke wurden häufig aufgeführt und sie wurde zur bekanntesten Komponistin des Reiches. Im Jahr 1942 erhielt sie den 2. Kulturpreis des Gaues Oberdonau für ihr Chorwerk Die Briefe der Gefallenen.

Insgesamt entstanden in dieser Zeit durchaus auch Werke mit ideologischen Texten und sie vertonte auch Texte von Autoren der NS-Zeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ihre Werke immer seltener aufgeführt.

Späte Jahre

Frida Kern lebte weiterhin als freischaffende Komponistin. Ihre Verbindung und Karriere während der NS-Zeit blieb ein Makel, ein Kapitel, das nie eindeutig geklärt werden konnte.

Nach ihrer Rehabilitierung wurde ihr 1960 der Professorinnentitel der Universität Wien verliehen. Außerdem wurde sie Vizepräsidentin des Oberösterreichischen Künstlerbundes.

Frida Kern zählte zu Lebzeiten zu den bekanntesten und erfolgreichsten Komponistinnen Oberösterreichs. Sie schuf über 280 Werke, die alle traditionellen musikalischen Gattungen umfassen. In ihrem musikalischen Stil ließ sie sich nicht vom Zeitgeist beeinflussen, sondern komponierte im Stil der spätromantischen Klassik.

Literaturhinweise:

  • Friedel, Claudia. 1995. Komponierende Frauen im Dritten Reich: Versuch einer Rekonstruktion von Lebensrealität und herrschendem Frauenbild. Lit.
  • Kaska, Johannes. 2022. Frida Kern. IN: Bericht der Linzer Straßennamenkommission, Dauerer Cornelia et al. (Hrsg.), S. 1041-1050.
  • Kirchmayr, Birgit (Hrsg.). 2008. “Kulturhauptstadt des Führers”: Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich : ein Projekt der Oberösterreichischen Landesmuseen in Kooperation mit Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas. Land Oberösterreich, Oberösterr. Landesmuseen.
  • Marx, Eva und Gerlinde Haase. 2001. 210 österreichische Komponistinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart: Biographie, Werk und Bibliographie : ein Lexikon. Residenz Verlag.
  • Mayer, Clara (Hrsg.). 1996. Annäherung VII – an sieben Komponistinnen: Hildegard von Bingen, Anna Bon di Venezia, Hope Lee, Matilde Capuis, Frida Kern, Bettine von Arnim, Louise Farrenc.