Hedwig Conrad-Martius (1888-1966) war eine der ersten Frauen in Deutschland, die regulär studieren durfte. Zudem hinterließ sie bedeutende philosophische Schriften.
Die Natur ist kein totes Museum … Natur ist als solche eigenschöpferisch.
Doch schon zu Lebzeiten wurden ihre Leistungen von den Gegnern des Frauenstudiums nicht anerkannt. Nach ihrem Tod geriet sie, wie so viele Frauen, in Vergessenheit.
Hedwig Conrad-Martius studierte zunächst Philosophie in München, unter anderem bei Moritz Geiger (1880-1937). Anschließend wechselte sie an die Universität Göttingen, wo sie beim Vater der Phänomenologie, Edmund Husserl (1859-1938), studierte.
Bald gehörte sie zu den “Göttinger Phänomenologen”. In dieser Zeit entwickelte sich auch eine Freundschaft mit der später von den Nationalsozialisten ermordeten Philosophin Edith Stein (1891-1942).
Der Mensch steht am Abgrund seiner eigenen Feigheit und eben das macht ihn zur Person.
Dann schrieb die Universität Göttingen einen philosophischen Wettbewerb aus. Unter allen anonym eingesandten Texten wurde nur eine Arbeit von der Jury mit einem Preis ausgezeichnet: Über die erkenntnistheoretischen Grundlagen des Positivismus.
Erst danach wurde ein Umschlag geöffnet, um den Verfasser des Textes zu enthüllen. Und siehe da, es handelte sich um eine Verfasserin: Hedwig Martius.
Die Frau in der Philosophie voran-! Oder vielmehr das Fräulein: denn es handelt sich nicht um Marie Curie oder so eine berühmte Gelehrte, sondern um eine junge Studentin, die bei einer Preisbewerbung sämtliche männlichen Mitbewerber geschlagen hat.
Husserl soll auf seine Schülerin besonders stolz gewesen sein. Doch die meisten seiner Kollegen fanden es unangemessen, dass eine Frau Philosophie studierte und dann auch noch einen Wettbewerb gewann!
Um sie am Weiterstudium zu hindern, ließ die Philosophische Fakultät erklären, ihr Abitur reiche für das Studium nicht aus. Es fehle das Erlernen der griechischen Sprache und damit sei eine Promotion an der Universität Göttingen nicht möglich. Wo der Wille fehlt, gibt es genug Steine auf dem Weg …
Zusammen mit ihrem Mann Theodor Conrad zog sie nach München. An der Ludwig-Maximilians-Universität München konnte sie endlich promovieren, ein für sie wichtiger Schritt war getan.
Doch schon bald wurden ihr weitere Steine in den Weg gelegt: Nicht bewilligte Forschungsstipendien und ein jüdischer Großvater, der ihr im nationalsozialistischen Deutschland ein Publikationsverbot einbrachte, behinderten ihre wissenschaftliche Arbeit.
1949 erhielt sie schließlich einen Lehrauftrag an der Universität München und 1955 eine unbezahlte Honorarprofessur.
Die Phänomenologie ist eine philosophische Richtung, die den Ursprung der Erkenntnis in den gegebenen Erscheinungen, den Phänomenen, sucht.
Wie findet Erfahrung statt? Wie werden Dinge wahrgenommen?
Es ist also die Wissenschaft von den Dingen, wie sie uns erscheinen. Sie ist auch die Wissenschaft von der Bewusstwerdung und von der Art und Weise, wie wir aus dem Bewusstsein Erkenntnisse gewinnen.
Hedwig Conrad-Martius entwickelte eine realistische Phänomenologie, die sie Realontologie nannte. Dabei suchte sie Antworten in der Wirklichkeit, in der Realität, fragte aber auch, was Realität überhaupt ist.
Zunächst konzentrierte sie sich auf die Erscheinung der Wirklichkeit im Bewusstsein. Später kamen Komponenten wie Materie, Raum und Zeit hinzu.
Doch Husserl, der Vater der Phänomenologie und ihr ehemaliger Lehrer, war mit ihrer Interpretation und damit der Kritik an seiner Phänomenologie nicht einverstanden.
Das Interesse von Hedwig Conrad-Martius richtete sich immer mehr auf die Natur und dem realen Sein als solchem.
Sie ging beispielsweise der Frage nach, was das Wesen des Menschen ist und wie er sich von anderen Lebewesen wie Pflanzen und Tieren unterscheidet.
Wie der Mensch der Natur begegnet, so begegnet auch sie ihm.
Insgesamt verfasste Hedwig Conrad-Martius zahlreiche philosophische Schriften, die sich mit Seinsphilosophie, Metaphysik, Seinsstufen der Natur und des Menschen, naturwissenschaftlichen Fragen und Problemen sowie Raum, Zeit und dem Menschen darin befassen.
Literaturhinweise: