Frauenrollen

Heldenmädchen

Heldenmädchen

Frauen bekämpften Napoleons Truppen, wurden dafür bewundert und zugleich gefürchtet – die geschlechtsspezifische Rollenverteilung sollte schließlich beibehalten werden.

In verschiedenen Teilen Europas zogen Frauen gegen napoleonische Truppen in den Krieg. Dabei brachen sie mit gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Einige dieser Frauen mussten ihr wahres Geschlecht hinter Männeruniformen verstecken, andere handelten spontan und kämpften als Frau.

Jeanne d‘Arc von Tirol

Eine der Frauen, die sich spontan den Franzosen in den Weg stellte, war die Südtirolerin Catarina Lanz (1771-1854). 1797 erreichten napoleonische Truppen Südtirol, wo sie plünderten und brandschatzten. Im April standen sie dann vor Spinges. Von Tiroler Seite schien die Schlacht zunächst aussichtslos. Die Munition wurde schnell knapp, weshalb die Tiroler begannen, mit bäuerlichen Arbeitsgeräten, wie Sensen oder Beilen, auf die Franzosen einzuschlagen.

Die Bauern waren bereits ermüdet, als Catarina Lanz sich eine Heugabel schnappte und auf die Friedhofsmauer stieg, um die Franzosen zu bekämpfen - so jedenfalls die gängige Überlieferung. Allerdings gibt es Dokumente, die darauf schließen lassen, dass sie nicht selbst Blut vergoss. Laut diesen Zeugnissen stellte sie sich vielmehr mit einer Heugabel bewaffnet vor das Kirchentor. Schließlich waren die Franzosen bekannt, dass sie Kirchen plünderten, und das wollte sie damit wohl verhindern.

Tiroler Heldin

Catarina Lanz wurde zur Tiroler Heldin, die sich mutig den Franzosen in den Weg stellte, um ihren Glauben und ihr Vaterland zu verteidigen. Aber sie war nicht die einzige Tirolerin, die Mut bewies. Warum wurde sie zur Heldin, während andere in Vergessenheit gerieten?

Catarina passte ins gesellschaftliche Bild: Sie hatte sich nicht als Mann verkleidet und trug keine Waffe, sondern ein Arbeitsgerät. Obwohl sie damals in ihren Mittzwanzigern stand, wurde sie als Mädchen bezeichnet – bekannt wurde sie als „Mädchen von Spinges“. Als Mädchen lässt sich eine solche Spontanaktion wohl leichter rechtfertigen, als Frau wäre das schon schwieriger gewesen. Der Krieg war Männerdomäne, Frauen waren andere Räume zugedacht. Die Tiroler Heldenmädchen inspirierten jedoch ein bekannte preußische Frau.

Frau in Uniform: Eleonore Prochaska

Obwohl es zur Zeit der Befreiungskriege einer Frau auf’s Strengste verboten war, in Männerkleider zu schlüpfen, sind mehrere Frauen bekannt, die das dennoch wagten. Als Männer verkleidet kämpften sie für ihr Vaterland.

Die wohl berühmteste preußische Frau in Uniform war Eleonore Prochaska (1785-1813) aus Potsdam. Inspiriert von spanischen Frauen und Tirolerinnen, die gegen die Franzosen gekämpft hatten, zog sie 1813 in den Krieg. Als August Renz machte sie sich einen Namen als junger Mann, der gut schießen, fluchen und kochen konnte. Erst als sie angeschossen wurde, wurde ihr Geheimnis gelüftet. Sie verstarb kurze Zeit später.

Frau in Uniform: Anna Lühring

Prochaska inspirierte wiederum Anna Lühring (1796-1866) aus Bremen, die 1814 als Edward Kruse verkleidet in den Krieg zog. Ihr Vater dachte, seine Tochter würde als Prostituierte die Truppen begleiten, weshalb er dem Kommandanten schrieb. Dadurch wurde Annas Geheimnis gelüftet. Dennoch durfte sie bleiben und kämpfen, zog mit ihrer Truppe bis kurz vor Paris.

Angriff auf bestehende Frauenbilder

Diese Frauen wurden für ihren Mut und ihre Vaterlandstreue bewundert und als Heldinnen gefeiert. Gleichzeitig wurde betont, dass es sich um einzelne Fälle handelte. Von einer Nachahmung wurde ausdrücklich abgeraten. Es bestand die Befürchtung, dass noch mehr Frauen diesem Beispiel folgen und die gesellschaftlichen Normen sprengen könnten.

Bei diesen Kämpfen handelte es sich um Befreiungskriege, bei denen eine vorherige Ordnung wiederhergestellt werden sollte. Dadurch wurden kämpfende Frauen nicht als all zu großer Angriff auf geschlechtsspezifische Rollenbilder gedeutet. Die vorherige Ordnung, zu der auch die gesellschaftliche Rollenverteilung zählte, sollte wieder erreicht werden. Ziel war schließlich keine Revolution – auf keiner Ebene.

Das Militär galt weiterhin als frauenfeindlich und typisch männlicher Ort, an dem männliche Ideale, Eigenschaften und Identitäten aufrechterhalten und reproduziert wurden. Zudem hatten die Heldenmädchen nur eine temporäre Grenzüberschreitung gewagt. Idealerweise kehrten sie nachher jungfräulich wieder zu ihren Familien zurück und nahmen ihre alten Rollen an. Im Idealfall wurde das durch eine Heirat besiegelt. Somit wurde die eigene Ehre und gesellschaftliche Ordnung wiederhergestellt.

Nicht jede erinnerungswürdig

Nicht jede Frau, die sich als Soldat verkleidet und gekämpft hatte, wurde anschließend als erinnerungswürdig erachtet. Manch tapfere Frau, die nicht in das gängige Bild passte, sollte lieber schnell wieder vergessen werden.

Prochaska eignete sich gut der Erinnerung: Sie war den Heldentod gestorben und ihr wahres Geschlecht wurde erst kurz vor ihrem Tod erkannt. Sie musste also nicht wieder in eine alte Rolle zurückfinden. Die Themen Sittsamkeit, Jungfräulichkeit und gesellschaftliche Erwartungen an eine Frau waren damit für sie vom Tisch.

Lühring hingegen galt als weniger erinnerungswürdig. Ihre wahre Identität wurde schon bald gelüftet. Dennoch durfte sie bleiben und weiterkämpfen. Auch kam sie lebend von den Kämpfen nach Hause. Ihre Sittsamkeit und Ehre als Frau mussten jetzt besonders stark hervorgehoben werden. Während Prochaska noch lange in aller Munde war, wurde Lühring bereits zu Lebzeiten in Richtung Vergessenheit gedrängt.

Literaturhinweise:

  • Craffonara, Lois und Helga Dorsch. 2015. Catarina Lanz. Das Mädchen von Spinges. San Martin: Museum Ladin.
  • Sichtermann, Barbara und Ingo Rose. 2015. Sternstunden verwegener Frauen. Berlin: ebersbach & simon.

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