Nach Elizabeth Anscombe und Philippa Foot richtet sich der Blick in dieser Woche auf die dritte Frau des Philosophischen Quartetts: die Philosophin Mary Midgley (1919-2018), geborene Scrutton.
Im Herbst 1937 bestand Mary Midgley die Aufnahmeprüfung für Oxford und erhielt einen Platz am Somerville College. Vor Studienbeginn wollte sie drei Monate in Österreich verbringen, um Deutsch zu lernen, musste aber wegen der sich zuspitzenden politischen Lage nach einem Monat wieder abreisen.
Auch in ihrer Heimat spürte sie bald die Auswirkungen dieser besonderen politischen Zeit, wenn auch in einem anderen Kontext: Ein Großteil der männlichen Studenten verließ die Universität, um im Zweiten Weltkrieg zu dienen. In Oxford studierten daher erstmals mehr Frauen als Männer. Mary Midgley resümierte rückblickend, dass sie und ihre Kommilitoninnen sich nur aufgrund der Abwesenheit der Männer einen Namen in der Philosophie machen konnten. Unter “normalen” Umständen wäre viel weibliches Denken einfach untergegangen, weil es nicht gehört worden wäre.
Für Mary Midgley war Philosophie nicht nur etwas für Intellektuelle und Akademiker, sondern etwas, das wir alle tun - eine Tätigkeit, die Teil der menschlichen Existenz ist. Sie verglich die Philosophie mit dem Wasserleitungssystem: Niemand merkt, dass es da ist, bis etwas schief geht. Aber dann riecht es plötzlich unangenehm, und wir müssen die Dielen anheben und selbst die Konzepte des gewöhnlichsten Denkens untersuchen.
Klempnern und Philosophieren sind zwei Tätigkeiten, die sich aus der Tatsache ergeben, dass hochentwickelte Kulturen wie die unsere unter der Oberfläche ein ziemlich komplexes System haben, das normalerweise unbemerkt bleibt, aber manchmal versagt. In beiden Fällen kann dies schwerwiegende Folgen haben. Jedes System versorgt die darüber lebenden Menschen mit lebenswichtigen Gütern. Jedes von ihnen ist schwer zu reparieren, wenn etwas schief geht […].
Doch es hat lange gedauert, bis Mary Midgley ihre Ideen zu Papier brachte. Mit ihren Veröffentlichungen begann sie erst mit über 50 Jahren.
Mary Midgley wandte sich gegen jeden Versuch, die Naturwissenschaften an die Stelle der Geisteswissenschaften zu setzen. Sie ging der Frage nach, was Philosophen von der Natur und insbesondere von den Tieren lernen können. Vor allem müsse der Mensch als eine Art Tier verstanden werden.
Denker neigen dazu, sich auf die Eigenschaften zu konzentrieren, die den Menschen von anderen Spezies unterscheiden. In Beast and Man (1978) geht Mary Midgley der Frage nach, was den Menschen ausmacht. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Mensch anderen Tieren ähnlicher ist, als wir uns bisher einzugestehen wagten. Verglichen mit der Kultiviertheit vieler Tiere erscheint ihr der Mensch geradezu primitiv.
In ihrem Buch Animals and Why They Matter (1983) untersucht sie die Barrieren, die unsere philosophischen Traditionen zwischen Menschen und Tieren errichtet haben. Für sie ist das Thema Tierrechte eng mit gesellschaftlichen Problemen wie Altersdiskriminierung, Sexismus und Rassismus verbunden.
Mary Midgley wies auf die Gefahr hin, sich von anderen abzuschotten und damit andere Gruppen auszuschließen. Dies gilt für verschiedene menschliche Gruppen, aber auch für die Mensch-Tier-Beziehung.
Ihre Werke werden gerne im Zusammenhang mit dem Vegetarismus zitiert. Eine Neuinterpretation der Rollen von Mensch und Tier bringt eine neue Sicht auf die Natur mit sich. Wenn sich der Mensch als Teil der Natur verortet, müssen auch viele menschliche Praktiken kritisch hinterfragt werden, beispielsweise auch die Fleischindustrie und ihre Auswirkungen auf unseren gemeinsamen Planeten.
Literaturhinweise:
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