Nadira, geboren 1792 unter dem Namen Mohlaroyim, gilt als wichtige islamische Dichterin, die im heutigen Usbekistan lebte. Als 1992 ihr 200. Geburtstag gefeiert wurde, war dies vor allem für Frauen in Zentralasien ein Anlass, ihre Gedichte zu lesen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Doch wer war Nadira?
Nadira erhielt eine gute Ausbildung, sie studierte Literatur und Geschichte. Schon früh kam sie mit den Werken bedeutender zentralasiatischer Dichter in Berührung. In ihren eigenen Gedichten schrieb sie vor allem über die Liebe und ihre persönlichen Gefühle.
Lang baut' ich am Hause der Einung -
die Trennung zerstört' es am Ende.
Der Wildbach des Grames, der kam, ach,
und ruiniert' es am Ende.
Der Riß hier in meinem Gewande
enthüllte die Wunde des Herzens.
Die Wunde der Leidenschaft, wehe,
die blieb nicht verborgen am Ende.
«Ich halt' mein Versprechen», so sprach er,
«und bleib immerfort treu!»
Sein Wort vergaß er sehr bald schon,
nur Lüge war es am Ende.
Ich hatte gewünscht, daß ich ihn doch
einmal in die Arme nur schlösse -
vergebens -, und so zerriß ich
vor Kummer den Kragen am Ende.
Asket, schilt die Liebesbeseßnen
doch nicht, und denk an San'ân:
Du weißt, was den Frommen geschehn ist
im Weg zur Geliebten am Ende!
Nadira, die auch unter den Pseudonymen Komila und Maknuna veröffentlichte, gilt als eine der bedeutendsten Dichterinnen Usbekistans. Viele ihrer Gedichte, die sie in usbekischer und persischer Sprache schrieb, sind erhalten geblieben und umfassen mehr als 10.000 Gedichtzeilen. Doch sie nahm nicht nur literarisch, sondern auch als Regentin und Staatsfrau eine herausragende Stellung in ihrem Land ein.
Nadira wurde in die Familie eines Gouverneurs geboren, der ein Onkel von Alam Khan (reg. 1798-1810) war, dem sechsten Herrscher des Khanats Kokand im heutigen Usbekistan. Im Jahr 1808 heiratete sie Mohammad Omar Khan.
Ihr Mann Omar Khan bestieg nach einer Intrige, in deren Folge er seinen Bruder Alam Khan ermorden ließ, als siebter Herrscher von Kokand den Thron. Als Omar Khan 1822 starb, war seine Frau Nadira 30 Jahre alt und ihr Sohn, noch ein halbes Kind, bestieg den Thron. Nadira führte fortan die Regierungsgeschäfte.
Nadira beteiligte sich aktiv am kulturellen und sozialen Leben des Khanats und förderte den Bau neuer Moscheen, Madrassas (i.e. Lehreinrichtungen) und Basare. Unter der Herrschaft ihres Sohnes erreichte das Khanat den Höhepunkt seiner territorialen Ausdehnung.
Als sich 1839/40 die politischen Beziehungen verschlechterten, spielte Nadira eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Einheit des Khanats Kokand. Schließlich eroberte der Emir von Buchara 1842 Kokand. Nadira wurde daraufhin zusammen mit anderen Familienmitgliedern hingerichtet.
Literaturhinweise: