Wie Charles Darwin zu belegen versuchte, dass Frauen von Natur aus unterlegen seien, und wie Antoinette Brown Blackwell dagegenhielt.
Charles Darwin (1809–1882) gilt aufgrund seiner Evolutionstheorie als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler. So großartig sein Verdienst in diesem Bereich auch sein mag, umso erschreckender sind seine Äußerungen über eine natürliche Überlegenheit des Mannes bzw. Unterlegenheit der Frau.
In seinem Buch Die Abstammung des Menschen berief sich Darwin auf vermeintlich naturwissenschaftliche Erkenntnisse, um zu belegen, dass die Frau dem Mann von Natur aus unterlegen sei:
Der hauptsächlichste Unterschied in den intellectuellen Kräften der beiden Geschlechter zeigt sich darin, dass der Mann zu einer grösseren Höhe in Allem, was er nur immer anfängt, gelangt, als zu welcher sich die Frau erheben kann, mag es nun tiefes Nachdenken Vernunft oder Einbildungskraft, oder bloss den Gebrauch der Sinne und der Hände erfordern.
Mag sein, dass Darwin in einer Zeit lebte, in der die männliche Vorherrschaft einen Höhepunkt erreichte. Mag auch sein, dass für Darwin deshalb eine natürliche Überlegenheit des Mannes als logische Schlussfolgerung galt. Beim Thema natürliche Unterlegenheit der Frauen wurden jedoch haltlose und aus heutiger Sicht irrwitzige Belege hervorgezaubert, um diese Art der Rollenverteilung zu untermauern. Gleichzeitig wurden diese Erkenntnisse rückwirkend auf alle Epochen angewandt, um der eigenen These Nachdruck zu verleihen und sie als natürliche Gesetzmäßigkeit zu verkaufen.
Wenn eine Liste mit den ausgezeichnetsten Männern und eine zweite mit den ausgezeichnetsten Frauen in Poesie, Malerei, Sculptur, Musik (mit Einschluss sowohl der Composition als der Ausübung), der Geschichte, Wissenschaft und Philosophie mit einem halben Dutzend Namen unter jedem Gegenstande angefertigt würde, so würden die beiden Listen keinen Vergleich mit einander aushalten.
Mittlerweile ist bekannt, dass diese Liste nicht aufgrund einer männlichen Überlegenheit so unterschiedlich ausfallen würde. Vielmehr wurde den Frauen der Zugang zu diesen Bereichen häufig verwehrt. Zusätzlich verhinderte eine männliche Geschichtsschreibung erfolgreich, dass Frauen überhaupt in Erinnerung blieben.
Charles Darwin hatte bereits zu Lebzeiten eine große Kritikerin: Antoinette Brown Blackwell (1825-1921). Blackwell war eine der ersten Frauen, die sich ein Studium erkämpfte. Nach ihrem Theologiestudium war sie auch die erste Frau der USA, die als Pastorin in eine Kirchengemeinde berufen wurde. Der Kampf für Bildungschancen und ihr Engagement für Gleichberechtigung waren zeitlebens ihre größten Anliegen.
Auf Darwin‘s Schriften reagierte sie mit einem eigenen Buch. Sie schrieb als erste Frau ein Buch über biologische Verhältnisse der Geschlechter und wurde somit zur ersten Evolutionsbiologin. In ihrem Buch The Sexes throughout Nature kritisierte sie Darwin‘s frauenfeindliche Argumentation und lieferte zahlreiche Gegenargumente. Auch griff sie Argumente des Philosophen Herbert Spencer (1820-1903) auf, der an die Evolutionstheorie von einer sozialen bzw. gesellschaftlichen Perspektive anknüpfte.
Eine Theorie besagt, dass der Mann der Überlegene ist und immer gewesen ist; die andere, dass die Frau das volle Äquivalent des Mannes ist und immer war. Er hat seine Kräfte als denkendes Wesen immer weitgehend genutzt und eingesetzt. Sie hat, gefesselt durch Konventionen, ihre weitgehend vergeudet. Welche Theorie auch immer wahr ist, die Wissenschaft kann kein Recht haben, eine „physiologische Wahrheit“ zu verkünden, da „Frauen im Verhältnis zu ihrem Gewicht geringere Mengen Kohlenstoff ausatmen als Männer“ (- wie von Herbert Spencer dargelegt).
Blackwell war davon überzeugt, dass Bildung und ein Recht auf Arbeit wichtige Faktoren für den Erfolg von Frauen wären. Zeitgleich betonte sie, dass Männer auch lernen müssten, wie man sich um Haushalt und Kinder kümmerte. Das würde gleiche Voraussetzungen für beide Geschlechter schaffen. Mit diesen Ansichten war sie ihrer Zeit weit voraus.
Männer und Frauen wären wahre Äquivalente, gleichermaßen gut gerüstet, um der eigenen Verantwortung gerecht zu werden.
Und ja, Antoinette Brown Blackwell war für ihre Zeit eine privilegierte Frau: Sie erhielt eine höhere Bildung, machte Karriere, schrieb und hielt Vorträge. Dennoch blieb Darwin in Erinnerung, Blackwell hingegen ist nur wenigen ein Begriff. Nach ihrem Tode wurde sie allmählich vergessen – es wurde wortwörtlich still um sie.