Philosophie

Staunen über die Welt

Staunen über die Welt

Vor rund 2500 Jahren lebte die Philosophin Theano in Süditalien und lehrte, wie Mathematik Harmonie in die Welt bringt.

Theano von Kroton war eine Pythagoreerin, eine Anhängerin und enge Vertraute des Pythagoras. Beiden werden philosophische und mathematische Erkenntnisse und Schriften zugeschrieben. Sie staunten über die Welt, die Natur und den Menschen. Dabei entdeckten sie, wie Zahlen es vermochten, Ordnung und Harmonie in ein bestehendes Chaos zu bringen.

Schule des Pythagoras

Pythagoras - wer kennt ihn nicht aus dem Geometrieunterricht. Er war ein Gelehrter, der sich mit Mathematik, Astronomie und Philosophie beschäftigte. Nach ihm wurde eine philosophische Schule benannt: die Pythagoreer*innen. Ganz genau - Pythagoras sammelte Männer UND Frauen um sich und unterrichtete sie.

Theano ist die berühmteste von insgesamt 17 überlieferten Pythagoreerinnen. Sie wurde im süditalienischen Kroton um 550 v.u.Z. geboren. Damals war dieses Gebiet griechisch besiedelt.

Pythagoras kam nach Kroton, wo er Theano kennenlernte. Sie wurde seine Schülerin, Frau und Mutter ihrer fünf Kinder. Das ist eine Version. Eine andere besagt, dass Theano die Tochter des Pythagoras und seine Schülerin war.

Goldener Schnitt & Harmonie

Theano werden mathematische, medizinische und philosophische Texte zugeschrieben. Auch der Lehrsatz des Goldenen Schnitts, der vom Betrachter als äußerst harmonisch und ästhetisch empfunden wird, soll von ihr stammen. Dabei handelt es sich um ein besonderes Teilungsverhältnis einer Strecke, das in der Natur zu finden ist. Aufgrund der positiven und harmonischen Wirkung wird der Goldene Schnitt auch in der Kunst und Architektur häufig angewandt.

Die Welt und der Mensch leben von Natur aus in Harmonie und man sollte bedacht sein, diese Harmonie nicht zu stören.

  • In: Ich will verstehen. Geschichte der Philosophinnen, 2007 [2005], S. 11, von Ingeborg Gleichauf, über die Philosophie Theano‘s.

Die Pythagoreer sahen die Zahl als Element an, das Ordnung in jedes Chaos bringt. In der Musik kommt das gut zum Vorschein, wo Harmonien durch Verhältnisse von Zahlen erzeugt werden. Theano‘s oberstes Prinzip war der Harmoniegedanke. Den gelte es, im täglichen Leben umzusetzen.

Theano stand für eine praktische Philosophie, die von Frauen gelebt werden konnte. Dazu sind ethische und moralische Hinweise in ihren Briefen erhalten.

So schrieb sie beispielsweise über Kindererziehung und stellte Überlegungen an, wie bereits Kinder ihr Verhalten kritisch hinterfragen könnten. Dadurch sollten sie schon in jungen Jahren die Erfahrung machen, dass durch geistige und körperliche Anstrengungen ein sogenanntes gutes Leben möglich wäre.

Theano hatte nicht nur zahlreiche Schülerinnen, sondern forderte auch eine gleichberechtigte Bildung für Jungen und Mädchen. Damit war sie ihrer Zeit voraus.

Rolle der Frau

Die Pythagoreerinnen genossen eine gute Bildung und einige von ihnen wurden selbst zu Lehrerinnen philosophischen Gedankenguts. Das war eine Ausnahme. Die meisten Frauen durften an den unterschiedlichen Philosophieschulen erst gar nicht teilnehmen. Männer und Frauen wurden im alltäglichen Leben nämlich strikt getrennt.

Im Alten Griechenland gab es eigene Räume für Frauen, damit sie den Männern nicht über den Weg laufen mussten. Ihr Platz war zuhause und ihr oberstes Ziel war es, möglichst viele zukünftige Krieger zu gebären. Männliche Babys hatten deshalb eine höhere Überlebenschance als Mädchen, denn die Jungs waren willkommener und wurden besser versorgt.

Aesara von Lukanien

Die Pythagoreer waren eine Gesellschaft, manche sprechen sogar von einem Geheimbund. Sie lebten nach strikten Regeln zusammen und bestanden für etwa 1000 Jahre. Theano‘s Prinzip der Harmonie nahm eine weitere Pythagoreerin auf: die Philosophin Aesara von Lukanien.

Aesara -auch Aisara oder Sara- lebte rund 100 Jahre nach Theano in Süditalien. Für sie war moralisch gutes Handeln durch innere Harmonie zu erreichen.

Quellenlage

Von Aesara ist der Text „Über die menschliche Natur“ überliefert. Auch sind Fragmente und Briefe der Theano erhalten. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn zu jeder Zeit gingen Schriften verloren.

Als im Mittelalter die Klöster für die Abschrift von Werken zuständig waren, entschieden sie, welche Texte in das mittelalterliche Weltbild passten oder eben nicht. Dadurch entschied sich, welche Werke für die Nachwelt erhalten bleiben sollten. Pythagoras und die Pythagoreer*innen entsprachen wohl weniger dem Zeitgeist. Aber das ist nur ein Grund, warum heute zahlreiche antike Texte nur als Fragment oder in der Sekundärliteratur erhalten sind…