Geschichtsschreibung

Kaiserin Theodora

Kaiserin Theodora

Von den einen als Heilige verehrt, von den anderen diffamiert und als unersättliches Lustweib dämonisiert: Kaiserin Theodora (c. 500-548). Die Überlieferungen über ihr Leben sind ein Beispiel dafür, wie Ereignisse je nach Bedarf verzerrt wurden und so historische Zeugnisse entstanden, die mit Vorsicht zu genießen sind.

Aufstieg einer Schauspielerin und Prostituierten

Was wir heute über Theodora, die Kaiserin des Oströmischen Reiches, wissen, stammt zu einem großen Teil aus den Aufzeichnungen des byzantinisch-griechischen Historikers Prokop (c. 500-560). Wie damals üblich, bediente sich Prokop rhetorischer Mittel, um ein gewünschtes Bild zu erzeugen. So gehörte es zum guten Ton, Frauen schlecht zu machen. Auch Theodora und ihr Mann, Kaiser Justinian, wurden von Prokop diffamiert.

Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass Theodora in eine Schaustellerfamilie hineingeboren wurde. Schon als junges Mädchen habe sie Geschlechtsverkehr gehabt und sei zu einer sexuell unersättlichen Lustgestalt geworden, die mit zahlreichen Männern die Nacht verbrachte, ohne jemals ihren Durst stillen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach damaligem Verständnis Schauspielerinnen generell mit Prostituierten gleichgesetzt wurden.

Dann kam Theodora mit der Religion in Berührung, wurde geläutert und bekehrte sich. Als sie den Neffen des Kaisers und designierten Thronanwärter Justinian kennenlernte, ließ dieser die Gesetze dahingehend ändern, dass von nun an bekehrte Schauspielerinnen/Prostituierte Senatoren heiraten durften. Justinian heiratete Theodora und die beiden wurden das Kaiserpaar des Oströmischen Reiches.

Heilige Theodora

Andere Quellen, wie die Chronik des Johannes von Ephesos (c. 507-589), beschreiben Theodora als Priestertochter, die Justinian zur Frau gegeben wurde. Ihr Leben wurde zu dem einer Heiligen stilisiert, da sie sich für die Anhänger des Monophysitismus einsetzte.

Der Monophysitismus ist die Lehre, dass Jesus Christus ausschließlich göttlicher Natur war. Demgegenüber steht die Zwei-Naturen-Lehre, nach der Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch war, also eine göttliche und eine menschliche Natur hatte. Da sich die verschiedenen Anhänger nicht einigen konnten, kam es noch zu Lebzeiten Theodoras zur Spaltung in die syrisch-orthodoxe und die byzantinisch-orthodoxe Kirche. Während Theodora dem Monophysitismus anhing, folgte ihr Mann Justinian der Zwei-Naturen-Lehre.

Unterschiedliche Quellenlage

Während syrische Quellen Theodora als Heilige stilisieren, um ihr Wirken und ihre Bedeutung für die orthodoxe Kirche hervorzuheben, diskreditieren Kritiker wie Prokop sie. Beide Quellen scheinen in ihrer Darstellung historischer Ereignisse nicht ganz zuverlässig zu sein. Sie sind aber ein gutes Beispiel dafür, wie historische Aufzeichnungen je nach Intention bewusst in eine bestimmte Richtung gelenkt wurden.

Es gilt heute als relativ sicher, dass Theodora ihre Karriere als Schauspielerin begann. Unter welchen Umständen dies geschah, ist jedoch noch nicht geklärt. Andere Lebensumstände wie die Zirkusrevolution und der Sturz eines Papstes gelten als gesichert.

Zirkusrevolution

Im Jahre 532 fand in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, der große Zirkusaufstand statt, der auch als Nika-Aufstand bekannt ist. Es war wohl einer der schwersten Aufstände der Spätantike, bei dem sich das Volk gegen den Kaiser erhob.

Im Zuge des Aufstandes wurden große Teile Konstantinopels zerstört, unter anderem die Hagia Sophia, und viele Menschen verloren ihr Leben. Kaiser Justinian versuchte, die Lage unter Kontrolle zu bringen, sah aber schließlich keinen anderen Ausweg als die Flucht.

In diesem Moment soll Theodora ihre Stimme erhoben und eine flammende Rede gehalten haben. Sie widersprach ihrem Mann und verkündete, dass sie als Kaiserin die Stadt gewiss nicht verlassen würde. Auch soll sie dazu beigetragen haben, den Aufstand zu beenden. Danach wurde Konstantinopel wieder aufgebaut, auch die Hagia Sophia, die nun noch größer und schöner gebaut wurde.

Sturz eines Papstes

Mit zunehmendem Alter soll sich Theodora immer mehr der Theologie gewidmet haben. Sie blieb eine glühende Anhängerin des Monophysitismus, der bei Papst Silverius, der 536-537 auf dem Stuhl Petri saß, nicht gut angesehen war.

Theodora soll dafür gesorgt haben, dass Papst Silverius durch Verbannung “entsorgt” wurde. Damit gilt Theodora als einzige Frau, der es gelungen ist, einen Papst zu stürzen. Kein Wunder, dass dieser Teil der Geschichte vor allem von der römisch-katholischen Kirche gerne verschwiegen wird.

Ihr bekanntestes Bildnis befindet sich in der Basilika San Vitale in Ravanna. Dabei handelt es sich um ein Mosaik, das Theodora mit ihrem Gefolge zeigt. Die Basilika San Vitale zählt zu den bedeutendsten Kirchenbauten der frühbyzantinischen Architektur.

Literaturhinweise:

  • Hartmann, Elke. 2007. Frauen in der Antike. Weibliche Lebenswelten von Sappho bis Theodora. München: Verlag C. H. Beck.
  • Harvey, Susan A. 2001 [2010]. Theodora the “Believing Queen:” A Study in Syriac Historiographical Tradition. Hugoye: Journal of Syriac Studies 4.2, S. 209–234.